Durch Wachstum aus der Krise
„Keine Steuererhöhungen nach der Wahl“. Mit dieser Aussage gehe die FDP in mögliche Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl am 26. September, erklärte Reinhard Houben bei einer digitalen Diskussionsveranstaltung des Industrie- und Handelsclubs OWL, IHC. Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion war kurzfristig für den angekündigten Parteivorsitzenden Christian Lindner eingesprungen, der aus terminlichen Gründen absagen musste.
Neben wirtschaftspolitischen Themen interessierten sich die Teilnehmenden der von Präsidiumsmitglied Hans Beckhoff moderierten Veranstaltung vor allem für mögliche Regierungskonstellationen. „Für eine Ampel fehlt mir die Fantasie“, erklärte der Kölner Politiker. Zu groß seien die Differenzen zur SPD. Eine rein schwarz-gelbe Koalition, wie sie zurzeit in Nordrhein-Westfalen regiert, sei aber rechnerisch im Bund nicht wahrscheinlich. Doch auch als kleinster Partner in einem Parteienbündnis werde man seine Positionen zu verteidigen wissen.
Als weitere wichtige Forderungen seiner Partei nannte Houben die sofortige Beendigung der Corona-Sondersituation: „Wir müssen raus aus dem nationalen Notstand“. Viele Branchen litten noch unter den Corona-Beschränkungen. Gerade im Mittelstand beobachte er das stille Verschwinden von Anbietern. Geschäfte und Dienstleistungen und die damit verbundenen Strukturen brächen weg. Der Weg aus der Krise sei nur durch Wachstum zu schaffen. „Aber wir müssen erst erwirtschaften, was wir verteilen wollen.“ Außerdem forderte Houben die vollständige und endgültige Abschaffung des Solidaritätsbeitrags und eine ernsthafte Debatte, wie die Rentenproblematik in den nächsten Jahrzehnten zu lösen sei.
Wege, die Wirtschaft anzukurbeln, sieht Houben unter anderem in einer Entbürokratisierung der Gesetzgebung und Verwaltung. „Wir brauchen eine ‚One in, two out‘-Regel“. Für ein neues Gesetz oder eine neue Verordnung müssten zwei Maßnahmen in anderen Bereichen abgeschafft werden. Zudem müsse die Digitalisierung des Landes gefördert werden. Zur Finanzierung des Glasfaserausbaus könnte der Bund sich von seinen Anteilen an Post und Telekom trennen, so Houbens Vorschlag.
Auch ein „vernünftiges Zuwanderungsgesetz“ nach kanadischem Vorbild, die Förderung von jungen Unternehmen und internationale Handelsverträge seien wirtschaftspolitisch sinnvoll. „Wenn wir in Europa unsere Vielfalt und Freiheit bewahren wollen, müssen wir unsere Wirtschaft stärken, um nicht zwischen Blöcken wie China und USA zerrieben zu werden.“ Zum Pflichtprogramm des künftigen Wirtschaftsministers oder der Ministerin müsse es zum Beispiel gehören, mehr Rechtssicherheit und vergleichbare Bedingungen für Mittelständler in China zu erreichen.
Dies führte zu der Frage, ob wirtschaftliche Stärke nur zusammen mit militärischer Stärke ernstgenommen werde. Die Antwort darauf sieht Houben nicht national, sondern im Verbund mit den europäischen Partnern. Seine Partei stehe außerdem zur Zwei-Prozent-Zielvorgabe der NATO für den Anteil der nationalen Verteidigungsausgaben.
Wirtschaften um jeden Preis lehnt Houben allerdings ab. Am Beispiel der Ukraine habe man gesehen, wie politische Konflikte die Handelsbeziehungen erschweren. Auch in Hinblick auf China mahnte er: „Es gibt Grenzen, zum Beispiel bei einem Überfall auf Taiwan oder einer Besetzung Hongkongs.“ Text: Annette Meyer zu Bargholz