Foto von links: Dr. Christian Terfloth, Christiane Gräfin Matuschka und Brigadegeneral Marco Eggert
Der Angriff Russlands auf die Ukraine verursacht tiefgreifende Folgen nicht nur für die Ukraine, sondern auch für Deutschland. Unter dem Titel „Die Panzerbrigade 21 „Lipperland“ in der Zeitenwende: Schutz der NATO-Ostflanke im Fokus“ hielt Herr Brigadegeneral Marco Eggert, Kommandeur der Panzerbrigade 21 am 20. Juni 2024 einen sicherheitspolitischen Impulsvortrag im Jowat-Innovationszentrum. Eingeladen hatte der Industrie und Handelsclub Ostwestfallen-Lippe e.V.
Der Gastgeber des Abends Dr. Christian Terfloth, Vorstand der Jowat SE, begrüßte persönlich die zahlreich erschienen Teilnehmer am Hauptsitz des Unternehmens in Detmold. Nach einem Überblick über die Jowat SE übergab Dr. Christian Terfloth an die Organisatorin, Moderatorin Christiane Gräfin Matuschka, die den Impulsvortrag mit der Vitae des Vortragenden eröffnete.
Besonders fiel auf, dass Brigadegeneral Eggert das Lipperland keines Wegs fremd ist. Nicht nur privat hat er seinen Lebensmittelpunkt in der Region, sondern ist als Brigadekommandeur der Panzerbrigade 21, stationiert in Augustdorf, aktuell auch militärisch in der Region eingesetzt. Schon als Zugführer und Kompanieeinsatzoffizier des Panzerbataillon 214 war Eggert 2000 bis 2002 in Augustdorf stationiert. Sein Werdegang führte ihn danach von 2007 bis 2009 an die Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Dort absolvierte er den nationalen Generalstabsdienstlehrgang (LGAN). 2019 bis 2022 war Brigadegeneral Eggert International Fellow am U.S. Army War College in Carlisle (USA), wo er den akademischen Titel Master of Strategic Studies erhielt. Auslandseinsätze hatte er im Kosovo, Mali und Afghanistan. Seit Februar 2023 ist er nun Kommandeur der Panzerbrigade 21 „Lipperland“.
Brigadegeneral Eggert bedankte sich zunächst für die Einladung und die Gelegenheit, einen exklusiven Einblick in die Panzerbrigade 21 geben zu dürfen und in den sicherheitspolitischen Diskurs mit den Anwesenden zu treten. Seinen Vortrag leitete er mit einem Überblick über die aktuellen Krisenregionen der Welt und den Geschehnissen zum Weg in den Ukrainekrieg ein. Dabei sprach er die sichtbaren Indikatoren vor dem 24. Februar 2022 an, die damals bereits auf einen Konflikt hindeuteten. Den Verlauf und Hintergründe des Ukrainekriegs erklärte er mit der „Kriegstheorie“. Demnach ist Krieg ein aus drei wesentlichen Elementen bestehendes Phänomen - Ziel, Zweck und Mittel. Vereinfacht könnte man sagen „War is a test of will and resources“, führte der Brigadegeneral an. Die Ukraine befinde sich in einem Abnutzungskrieg, der derzeit gezeichnet ist durch die schier unerschöpflichen menschlichen und materiellen Ressourcen des russischen Aggressors. Die Ukraine könne diesem Dilemma mit verschiedenen Möglichkeiten begegnen, die jedoch alle einer kontinuierlichen und ausreichenden Unterstützung des Westens bedürfen. Jede dieser Möglichkeiten birgt eigene Schwierigkeiten und Risiken, wie zum Beispiel einen enormen ukrainischen Kräfteansatz oder aber die Gefahr einer weiteren Eskalation durch Russland. Letztendlich ergeben sich mehrere Szenarien, wie der Krieg weiter verlaufen bzw. enden könnte. Eine zentrale Rolle dabei spielt nicht nur der russische Machthaber Putin, sondern auch der Unterstützungswille des Westens.
Zum Thema „Zeitenwende“ sagt Brigadegeneral Eggert, dass das richtige Mindset noch nicht in der Zivilgesellschaft angekommen wäre. Auch in der Bundeswehr gäbe es weiter Optimierungsbedarf. Bemerkbar macht dies sich beispielsweise durch bürokratische Hürden. Robustheit, Resilienz und Wehrhaftigkeit sind Attribute, die auch die deutsche Zivilbevölkerung wieder lernen müsse.
Für die Panzerbrigade 21 und ihre unterstellten Verbände bedeutete die Zeitenwende schon früh Veränderungen. Bereits 2022 begann die Brigade damit, ukrainische Soldaten in Deutschland auszubilden. 2023 dann der Beginn mit dem Aufbau zur ersten Brigade mittlere Kräfte des deutschen Heeres. Besondere Merkmale dieser neuen Kräftekategorie sind die hohe Agilität durch radbasierte Systeme und die Fähigkeit zum hochintensiven abstandswirksamen Feuerkampf. Einhergehend mit der Umstrukturierung war ebenfalls die Übergabe des MINUSMA-Auftrages in Mali und Übernahme des eVA-Auftrages (enhanced Vigilance Activities) in Litauen. Hier hält die Panzerbrigade 21 ständig ein kleines Stabselement vor, dass im Ernstfall die Verlegung von Kräften nach Litauen koordinierend unterstützt. Dies wurde Anfang 2024 erstmals real geübt. Die Lipperland-Brigade trägt somit durch die bereits erfolgten und die zukünftigen Großübungen zur glaubhaften Abschreckung an der NATO-Ostflanke bei. An dieser Stelle wurde den interessieren Teilnehmenden klar, weshalb der Aufbau zur ersten Brigade mittlere Kräfte wichtig ist. Der Einsatzraum der Brigade war im Kalten Krieg nur etwa 150 km entfernt. Heute dagegen müssen Mensch und Material über eine Strecke von über 1.700 km in den potenziellen Einsatzraum im Baltikum verlegt werden. Da im Falle eines Konfliktes der Luft- und Seeweg vermutlich gesperrt ist, muss die Verlegung zeitgerecht auf eigener Achse erfolgen. Hier zeigt sich der Vorteil der mittleren Kräfte durch ihre Eigenschaften der Kaltstart- und Reaktionsfähigkeit sowie der Flexibilität. Die vergangenen Übungen haben gezeigt, dass Material und Personal auch unter schwierigen Bedingungen äußerst widerstandsfähig sind und ohne größere Ausfälle ihren Auftrag erfolgreich erfüllen können, so Eggert. Auch zukünftige Übungen werden nicht mehr wie früher nur in Deutschland durchgeführt werden, vielmehr übt die Brigade aus Augustdorf in Polen, Litauen und Finnland, mit dem Ziel, eine potenzielle Bedrohung des NATO- Bündnisgebiets durch Russland abwehren zu können. Für diesen Auftrag stellt sich die Panzerbrigade 21 mit dem Aufbau zur ersten Brigade mittlere Kräfte zukunftsfähig und innovativ auf. Neben neuem Großgerät werden neue Kampfweisen als auch Einsatzgrundsätze erprobt und eingeführt. Deshalb kann die Brigade zu Recht auch als „Innovationstreiber“ im deutschen Heer bezeichnet werden.
Im Anschluss an den Vortrag bestand die Gelegenheit zu Nachfrage. In der Diskussion beleuchtete Brigadegeneral Eggert u.a. die Fragen: Wie gut ist die Bundeswehr im Rahmen Landesverteidigung/Bündnisverteidigung aufgestellt, welche Strukturen wurden angepasst, um die Einsatzbereitschaft zu erhöhen und wie können wir Russland glaubhaft abschrecken?
Fazit der Diskussion, Deutschland benötigt eine gesamtstaatliche, eine militärische aber eben auch eine zivile Sicherheitsvorsorge.