Rückblick

IHC Vortrags- und Diskussionsveranstaltung mit Dr. Dietmar Bartsch, MdB Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE.


Dr. Dietmar Bartsch, MdB Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE.

Forderung nach Steuer- und Rentenreformen

Die Bundestagswahl im September rückt näher. Zur Einstimmung war ein weiterer Bundespolitiker zu Gast beim Industrie- und Handelsclubs OWL, IHC. Dietmar Bartsch, Vorsitzender der Fraktion Die Linke im Bundestag, gab einen Überblick über das Programm seiner Partei.

Vier bunte Karl Marx-Lithographien an der Wand und die Marx-Engels-Gesamtausgabe hinter dem Schreibtisch – an Dietmar Bartsch’s Arbeitszimmer ist sein politischer Hintergrund schnell zu erkennen. „Ein spannendes Treffen mit einem Politiker aus einem, in der Regel im IHC nicht so vertretenen Spektrum“, hatte Moderator und IHC-Präsidiumsmitglied Hans Beckhoff den zugeschalteten Mitgliedern zu Beginn der Online-Veranstaltung versprochen. Und auch der Gast aus Berlin vermutete, dass seine Thesen nicht unwidersprochen bleiben würden.

„Wer zahlt die Kosten der Corona-Krise?“ Diese Frage werde nach einem Jahr Pandemie immer drängender, erklärte der promovierte Ökonom. Die 450 Milliarden Euro Schulden, welche die Bundesregierung zur Abfederung der Krise aufgenommen habe, müssten ja bezahlt werden, so Bartsch. Die These „Wir wachsen da schon irgendwann raus“, könne er nicht teilen. Aus diesem Grund trete seine Partei für eine einmalige Vermögensabgabe, gedeckt durch das Grundgesetz, ein. Wer über zwei Millionen Euro Privatvermögen oder Betriebsvermögen ab fünf Millionen Euro verfüge, solle einen Beitrag zur Schuldentilgung leisten. „Das betrifft nur 0.7 Prozent der Bevölkerung“, so Bartsch, „wäre aber sehr effektiv“.

Überhaupt brauche Deutschland eine große Steuerreform: „Der Spitzensteuersatz muss später einsetzen und dafür höher sein“, erklärte der Politiker und forderte mehr Leistungsgerechtigkeit, auch im Erbschaftssteuersystem. Die Konjunktur entwickele sich momentan zweigeteilt: „Es ist schwer vermittelbar, dass einerseits der Dax in der Pandemie von 9000 auf 15’000 Punkte ansteigt und gleichzeitig 40 Prozent der Menschen Einbußen beklagen“, so Bartsch. Die sogenannten Systemrelevanten, wie Pflege- und Verkaufspersonal, seien zwar beklatscht worden, hätten aber wenig konkrete Hilfen erfahren: „Ein Wiederspruch“. Die kürzlich von den G7-Staaten beschlossene Mindestbesteuerung sei „vernünftig“, dennoch sei man von einer Steuergerechtigkeit weit entfernt.

Zu mehr Gerechtigkeit könnte auch eine Rentenreform beitragen. Damit nachfolgende Genrationen überhaupt noch eine Rente beziehen können, müsste der Personenkreis der Einzahler auf Beamte, Selbständige und Abgeordnete erweitert werden. „Nach 16 Jahren unter Angela Merkel gibt es einen großen Reformstau“, resümierte Bartsch.

Weiter prangerte der Politiker Kinderarmut, fehlende Chancengleichheit, das unzureichend ausgebaute Schienennetz, den vergleichsweise niedrigen Stand bei der Digitalisierung und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit an. „Ich will unser Land nicht schlecht reden, aber die Probleme sind da“, entgegnete Bartsch auf den Einwurf des Moderators Beckhoff, alles nur schwarz und nicht auch die vielen positiven Errungenschaft Deutschlands zu sehen. Als Oppositionspartei achte Die Linke darauf, dass niemand abgehängt werde. In punkto Klimapolitik heiße dies zum Beispiel, dass nicht nur die Elektromobilität gefördert werde, sondern man auch schauen müsse, dass es bezahlbare E-Autos unter 20'000 Euro zu kaufen gebe. „Natürlich können wir in Deutschland auf vieles stolz sein“, räumte Bartsch ein. Die Errungenschaften müssten aber ohne Ausnahmen für alle Menschen gelten.

Mittwoch, 09. Juni 2021 11:00 Uhr
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Dr. Dietmar Bartsch, MdB