Rückblick

IHC Vortrags- und Diskussionsveranstaltung, Michael Wiese, Drogenberatung e.V. Bielefeld


Bericht zur Drogenprävention (v.l.): IHC Vizepräsident Christoph Mohn, Gastgeberin Nicole Seidensticker-Delius, Referent Michael Wiese, IHC Geschäfsführerin Cornelia Moss, IHC Präsidiumsmitglied und Moderator des Abends Dr. Harald Schlüter.

Drogenprävention: „Wegschauen ist sehr teuer“

Bereits vor eineinhalb Jahren war Michael Wiese, Co-Geschäftsführer der Drogenberatung Bielefeld e.V., beim IHC zu Gast und skizzierte damals, wie weltweit Milliarden mit Abhängigkeiten verdient werden. Im aktuellen Vortrag stand die Prävention im Vordergrund. „Prävention ist zwar nicht messbar“, so Wiese, „doch ist sie in Betrieben und Behörden extrem wichtig. Wegschauen ist sehr teuer“.

Denn der Krankenstand in nordrhein-westfälischen Unternehmen steigt kontinuierlich. Nach Zahlen der Krankenkasse DAK Gesundheit kletterte er von 3,1 Prozent im Jahr 2006 auf 4,3 Prozent im Jahr 2018. Das heißt: Jeden Tag fehlen bei der Arbeit im Schnitt 4,3 Prozent der Beschäftigten. Dabei haben Erkrankungen am Muskel-Skelett-System (Rückenschmerzen) mit 20,9 Prozent den höchsten Anteil an den Fehltagen. Gefolgt von psychischen Erkrankungen, zu denen auch die Suchterkrankungen zählen (16,2 Prozent), Erkrankungen des Atmungssystems (14,9 Prozent) und Verletzungen (11,8 Prozent).

Die von einer Suchtproblematik betroffenen Mitarbeiter – sei es durch den Griff zur Zigarette, zum Glas Alkohol oder anderen Drogen – haben doppelt so viele Fehltage wie der Rest der Berufstätigen. Gemeint ist damit nicht, dass die Betroffenen wegen ihrer Suchtstörung krankgeschrieben sind, sondern sie haben bei allen Diagnosegruppen mehr Fehltage als die übrigen Beschäftigten.

Als wirkungsvolle Strategie hat sich in der Prävention die Kombination von Verhaltens- und Verhältnisprävention bewährt, erklärte Wiese, dessen Einrichtung mit 65 Mitarbeitern in Bielefeld und Detmold nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Behörden und Betriebe berät. Zu Maßnahmen der Verhaltensprävention zählen solche, die auf die Änderung des individuellen Verhaltens abzielen. Mit diesen Maßnahmen werden Ressourcen und individuelle Kompetenzen gestärkt sowie Risiken vermindert, um einen gesunden Lebensstil führen zu können. Beispiele: Aufklärungskampagnen etc. Verhältnisprävention zielt auf das Umfeld ab und setzt auf Veränderungen der Lebens- und Arbeitsbedingungen. Beispiele: Veränderung des Verpflegungsangebots in der Kantine oder tägliche Bewegungsangebote.

Nach einer Bestandsaufnahme der bereits vorhandenen Angebote im Unternehmen (Betriebsarzt, Arbeitssicherheit etc.), sollte jeder Betrieb drei bis fünf Maßnahmen zur Suchtvorbeugung formulieren, wie „Arbeitszufriedenheit steigern“, „Suchtmittelkonsum senken“, oder „wertschätzender Umgang miteinander“. Wichtig sei, dass Vorgesetzte und Geschäftsführung die propagierten Werte auch selbst vorlebten. „Ansonsten wird es schwierig“, so Wiese. Schließlich sollte das Unternehmen gezielte Aktionen durchführen, zum Beispiel Veränderungen bei den Schichtdienstzeiten, Boni wie Jobfahrräder- oder autos oder bezahlte Fortbildungen.

Auch im Privaten sei das System von Verhaltens- und Verhältnisprävention anwendbar: Auch hier gilt: Eltern sind Vorbilder, wie die Vorgesetzten. Ihre Art mit Alkohol, Drogen oder Konflikten umzugehen, wird von den Kindern imitiert. „50 Prozent der Drogenkonsumenten kommen aus suchtbelasteten Familien“, erläuterte Wiese. Eine gute Verhältnisprävention sei zum Beispiel die Etablierung fester Gesprächsstrukturen, wie ein gemeinsamer Abend pro Woche oder gemeinsame Mahlzeiten. Dadurch schaffen Eltern ein Vertrauensverhältnis und die Möglichkeit zum offenen Austausch auch in Problemsituationen. „Reden ist wichtig“, erklärte Wiese. „Sie dürfen auch Fragen stellen, aber offen formuliert und ohne Vorwürfe.“

Am Ende seines Vortrags ging Wiese noch auf die Opioid-Krise in den USA ein. Mehr als 72.000 Menschen starben allein 2017 an einer Drogen-Überdosis, die meisten an Opioiden. Ein dramatischer Rekord, der in den 90ger Jahren durch opioidhaltige Schmerzmittel seinen Anfang nahm, welche die Ärzte immer freizügiger verschrieben. Im Mittelpunkt steht dabei das Medikament Oxycontin, ein semisynthetisches Opiat, durch das mittlerweile, so Wiese, ein gesamtwirtschaftlicher Schaden in Höhe von 100 Milliarden Dollar entstand. Ein besonders bitterer Nebeneffekt sei es, dass mittlerweile – aufgrund der großen Anzahl benötigter Plätze – nicht mehr genügend Pflegeeltern für die Kinder der Drogentoten gefunden werden könnten.

Ausgerichtet wurde der Vortragsabend von der Firma Seidensticker. Das Unternehmen arbeitet im Präventionsbereich mit der Bielefelder Drogenberatung zusammen und unterstützt diese auch finanziell, wie Gesellschafterin Nicole Seidensticker-Delius berichtete.

www.drobs-bielefeld.de

Text: Annette Meyer zu Bargholz

Dienstag, 12. November 2019 19:00 Uhr
Seidensticker
Michael Wiese, Drogenberatung e.V. Bielefeld