Albert Christmann, seit knapp zwei Jahren Chef von Dr. Oetker, will die Marke Oetker fit für die digitale Welt machen. Der Manager sprach vor 200 Zuhörern in Bielefeld.
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Konzernchef Albert Christmann kündigt neue Projekte an, verrät aber noch nichts
Bielefeld(WB). Noch ist es geheim. Und viel wollte Oetker-Chef Albert Christmann bei einem seiner seltenen öffentlichen Auftritte auch nicht verraten. Nur das: »Fünf Projekte laufen bei uns.« Kein Wort, um welche Art von Produkten es geht. Klar aber ist: Oetker feilt an einer digitalen Vision und neuen Vertriebswegen. Christmann: »Wir wollen alle zehn Jahre den Umsatz verdoppeln.«
Oetker arbeite an der Verzahnung von analoger (alter) und digitaler (neuer) Welt, wie Christmann (56) auf Einladung des Industrie- und Handelsclubs OWL (IHC) und Marketing-Club OWL vor rund 200 Zuhörern im Vortragssaal des Bauunternehmens Goldbeck in Bielefeld berichtet. »Die Welt verändert sich mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit«, sagt Christmann, der als erster familienfremder Manager seit knapp zwei Jahren an der Spitze des Konzerns mit knapp 15.000 Beschäftigten steht. »Die Zeit wird nie wieder so langsam sein, wie sie heute ist.«
Im Kampf um Kunden sieht sich Oetker als »klassischer Markenanbieter« von der Internet-Gesellschaft herausgefordert. Christmann weist auf die Macht von Amazon hin. Der US-Gigant komme beim Onlinehandel inzwischen auf einen Marktanteil von 50 Prozent. Amazon sei aber auch Bank, Video- und Datenspeicheranbieter. »Amazon besetzt alle Bereiche«, sagt Christmann.
Und das stelle Oetker vor eine große Herausforderung. Christmann: »Es geht für uns um den Kundenzugang« – weniger im Supermarkt, vielmehr auch im Internet. Wenn bei der Onlinesuche der Name des Unternehmens oder Produktes nicht auf der ersten Seite erscheint, sinke die Chance auf einen Verkauf auf nur noch 15 Prozent. Es gebe immer neue Wettbewerber mit neuen Spielregeln. »Die verändern das Geschäft.« Die Disruption (Zerstörung) der bisherigen Geschäftsmodelle »hat gerade erst begonnen.«
Um ihre auf Daten basierende Marktmacht weiter auszubauen, investierten die Digitalkonzerne massiv in Künstliche Intelligenz (KI). Bei Amazon seien es jährlich 16 Milliarden Dollar, bei der Google-Mutter Alphabet 14 Milliarden. Kuriosum am Rande: Als Oetker eine spezielle Mitarbeiter-App einführen wollte, habe es lange Diskussionen mit der Gewerkschaft gegeben. Christmann: »Bis die App freigegeben war, hat es ein halbes Jahr gedauert.«
Zur digitalen Strategie gehört es auch, sich mit Megatrends zu befassen wie etwa Gesundheit. »Da haben wir es mit unseren Produkten Pizza, Alkohol und Kuchen nicht so leicht«, muss Christmann eingestehen. »Aber wir tun etwas für die Seele«, fügt er schmunzelnd hinzu. Oetker-Produkte müssten eben vor allem »gut schmecken.« Und doch sind die Bielefelder auch an einem Start-up beteiligt, das »gesunde Pizzas« verspricht. Christmann: »40 Prozent weniger Fett, 40 Prozent weniger Salz – es schmeckt dann auch ganz anders.« Es gebe Menschen, die mögen das. Für den Konzern aber gelte: Was nicht für Dr. Oetker steht, »machen wir unter anderen Marken. Wir wollen unsere Marke nicht überfordern.« Vielmehr gehe es darum, neben der Qualitätsführerschaft auch die Kostenführerschaft innezuhaben. Dies sei etwa bei Coppenrath und Wiese gelungen. Das vorrangige Ziel aber sei, die »wahren Bedürfnisse der Verbraucher herauszufinden.« Im aktuellen Umsatz von gut drei Milliarden Euro bei Lebensmitteln sei noch nicht viel Digitales drin, sagt Christmann.
Wichtig sei, die Mitarbeiter auf dem Weg in die neue Welt mitzunehmen. Die bisherigen Reaktionen reichten von Stirnrunzeln bis Freude. Und schließlich sei sogar die Sprache zum Problem geworden. Viele externe Manager bei Oetker sprechen kein Deutsch. Konferenzen würden auf Englisch abgehalten – mit deutscher Übersetzung. Aber es dürften auch Fragen auf Deutsch gestellt werden und die würden dann auch auf Deutsch beantwortet, sagt Christmann. »Es ist ein Spagat.«