Auf der Bühne der Stadthalle Bielefeld: Peter Altmaier (2.v.l.) mit Wolf D. Meier-Scheuven (v. l.), Thomas Niehoff, Lena Strothmann und Jens Prager. - © Christian Weische
Unternehmertag: Wie der Bundeswirtschaftsminister die deutsche Wirtschaft und deren Wachstum nachhaltig sichern will. Sozialabgaben sollen unter 40 Prozent sinken
Auf der Bühne der Stadthalle Bielefeld: Peter Altmaier (2.v.l.) mit Wolf D. Meier-Scheuven (v. l.), Thomas Niehoff, Lena Strothmann und Jens Prager. – © Christian Weische
Bielefeld. Einen süffisanten Seitenhieb auf den Regierungsstil kann sich IHK-Präsident Wolf D. Meier-Scheuven in seiner Begrüßungsrede nicht verkneifen. „Es ist eigentlich eine Binsenweisheit, dass eine Regierung regieren muss, aber im Moment hat man den Eindruck, man müsse genau daran erinnern“, sagt er beim Unternehmertag OWL in Bielefeld.
„Zuviel Beschäftigung der Parteien und ihrer Führer mit sich selbst, mangelnde Führung, kurzsichtige, kaum zukunftsfähige Lösungskonzepte“, fährt der Chef des Bielefelder Kompressorenherstellers Boge fort. Wichtige Impulse für einen zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort seien kaum erkennbar gewesen.
Dabei gibt es nach Ansicht von Meier-Scheuven für die Regierung genügend Aufgaben. „Das Label ,Made in Germany’ ist in der Welt angekratzt.“ Dabei verweist er auf die „Verfehlungen unserer Automobilindustrie“, den Pannenflughafen BER und die Bilder aus Chemnitz „mit einem hässlichen braunen Farbstich“. „Wir brauchen keinen Brexit, keine Handelskriege und keine politischen Kräfte, die auf Spaltung und Fremdenhass setzen“, konstatiert der IHK-Präsident unter lautem Beifall der Zuhörer im Saal.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat die Kritik wohl vernommen. Auf dem Podium zieht sich der Redner erst das Jacket aus und krempelt demonstrativ die Ärmel hoch, ehe er die Unternehmer mit viel Lob umgarnt. Ostwestfalen-Lippe gehöre zu den Regionen in Deutschland mit dem besten Ruf. Es sei das Land, wo Milch und Honig fließt und wo „alles größer ist“, wie schon Heinrich Heine bemerkt habe. Ironisch ergänzt der ehemalige Kanzleramtschef: „Die Menschen sind größer, Parkplätze sind größer und auch die Sparkassen.“ Und womöglich bekomme Westfalen bald noch mehr Gewicht. Dabei spielt er nicht nur auf den neuen CDU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus und den weiteren Ostwestfalen Elmar Brok an („Der wird noch 50 bis 100 Jahre im Europaparlament sitzen“), sondern vor allem auf die beiden westfälischen Kandidaten für den CDU-Vorsitz, Jens Spahn und Friedrich Merz.
Für die Sicherung nachhaltigen Wachstums und die Stärkung der deutschen Wirtschaft kündigt Altmaier ein ganzes Maßnahmenpaket an: Die Sozialversicherungsabgaben sollen auf unter 40 Prozent festgeschrieben werden – unabhängig von der jeweiligen Regierung. „Ein Unternehmer schuftet nur, wenn er nicht alles, was er verdient, an die Sozialkassen abgeben muss.“ Noch diesen Monat will er mit Wirtschaftsvertretern besprechen, wie angesichts der Energiewende Strompreise stabil gehalten werden können.
Wird die digitale Verwaltung nicht im nächsten Halbjahr umgesetzt, will er 30 Experten aus Estland nach Deutschland holen. Es könne nicht sein, dass Deutschland Estland zehn Jahre hinterherhinke. Gemeinsam mit Horst Seehofer (CSU) und Hubertus Heil (SPD) bereite er in „großer Einigkeit“ bis zum Jahresende einen Entwurf für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz vor, das bis Ostern verabschiedet werden soll. Der Minister betont: „Ausländische Fachkräfte müssen die deutsche Sprache beherrschen.“
Zudem erwägt Altmaier die Förderung der Industrie beim Strukturwandel, damit sie die Künstliche Intelligenz auch anwende und dies nicht Plattformen wie Google überlasse. Die gesamte Wertschöpfungskette müsse in Deutschland bleiben – auch die Produktion von Batteriezellen.