Bielefeld. Mehr Verkehr auf die Schiene – dieser Spruch klingt nach Klimaschutz und 21. Jahrhundert. Doch er stammt aus dem Jahr 1968. Genug Zeit für Deutsche Bahn und Politik, den Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bekommen. Doch das Ziel wurde nie wirklich erreicht. Schon gar nicht im Güterverkehr. Für den ist bei der Deutschen Bahn eine Frau aus OWL zuständig. Sigrid Nikutta verantwortet seit rund einem Jahr im Vorstand den Bereich Güterverkehr und ist Vorstandschefin der DB Cargo. Sie ist in Enger aufgewachsen .
Nikutta soll erreichen, was so viele vor ihr nicht geschafft haben. Sie soll den Anteil von unter 20 Prozent bis 2030 auf 25 Prozent anheben. Das wichtigste Argument: „Der Schienentransport ist viel umweltfreundlicher und klimaschonender“, sagt Nikutta. Ein Güterzug könne bis zu 52 Lkw ersetzen. „Das bedeutet auch bis zu 52 Fahrer, was ein weiteres Potenzial des Schienenverkehrs zeigt.“
Die Emissionen würden beim Wechsel von Lkw auf Schiene um bis zu 80 Prozent reduziert. Doch der Umweltfaktor allein hilft Unternehmen nicht weiter. „Der Wechsel lohnt sich auch finanziell“, sagt Nikutta. Sie rechnet vor: Der Tonnenkilometer kostet mit dem Lkw 4,5 Cent, mit dem Zug nur 2 Cent – wenn man denn ehrlich rechne und auch „externe Kosten“ wie Umweltbelastung, Straßenbau und anderes hinzu rechne.
Doch diese Fakten sind nicht neu und trotzdem gelingt es der Bahn bislang nicht, den Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene nachhaltig zu erhöhen. Nikutta glaubt dennoch an eine Chance: „Gerade jetzt, denn das Bewusstsein für Klima und Umwelt war noch nie so groß.“ Große Konzerne in Deutschland hätten sich öffentlich Klimaziele gesetzt. Um die zu erreichen, sei eine Verlagerung von Teilen des Warentransports auf die Schiene unverzichtbar. Gemeint sind vor allem Strecken ab circa 150 Kilometer: „Da lohnt es sich aus Umweltsicht wirklich.“
Doch es gibt zwei Probleme für die Bahn. Zum einen ist da der Preisdruck durch Billigspeditionen aus Osteuropa und die fahren ähnlich wie die Bahn und ihre Partner auch EU-weit. „Aber jetzt werden die Rahmenbedingungen verändert, um die Ausbeutung der Lkw-Fahrer zu beenden“, sagt Sigrid Nikutta. Sie spricht vom Mobility Package der EU, das alle Staaten bis 2022 umsetzen müssen. Es schreibt bessere Arbeitsbedingungen für Fahrer und Mindestlohnregelungen vor. Davon erhofft sich Brüssel Chancengleichheit zwischen den Spediteuren in Europa – was zugleich der Bahn in die Hände spielen würde, weil die Dumpingpreise kaum noch möglich wären.
Problem zwei: Das Schienennetz in Deutschland erscheint jetzt schon ausgelastet und neue Flächen für Trassen gibt es kaum. Doch hier hat die studierte Psychologin eine Lösung: „Durch eine Digitalisierung der Züge könnte man 20 Prozent mehr Verkehr bewältigen.“ Bislang funktioniert das Schienennetz nach einem Blocksystem: Befindet sich in einem Block ein Zug, ist der Block für andere Züge gesperrt. „Durch moderne Technik könnten die Züge miteinander kommunizieren und in engerer Taktung fahren.“
Entscheidend sei auch, dass der Bund für Sanierung, Neu- und Ausbau des Schienennetzes in den nächsten Jahren mehr als 130 Milliarden Euro zur Verfügung stellt. Zahlreiche Großprojekte sollen mehr Kapazität auf die Schiene bringen. „Und jeder Güterzug auf der Strecke bedeutet 52 Lkw weniger auf der Autobahn“, so Sigrid Nikutta.