IHC Vizepräsident Christoph Mohn (l.), Geschäftsführerin Cornelia Moss sowie HLB Partner und Gastgeber Dietmar Engel (r.) begrüßen den Regierenden Bürgermeister von Berlin
Die Jubiläumsfeiern zum 30. Jahrestag des Mauerfalls sind gerade erst vorbei. Wie geht es Berlin 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution und der Öffnung der Grenzen zwischen Ost und West?
Aus erster Hand ließen sich die zahlreich erschienenen IHC-Mitglieder durch den Regierenden Bürgermeister Berlins, Michael Müller, in den Räumen von HLB Stückmann darüber informieren.
Nach der anfänglichen Euphorie über die Wiedervereinigung sah Berlin sich schnell mit Problemen konfrontiert, „Praktisch von heute auf morgen verschwanden nach der Wende 250.000 Industriearbeitsplätze in Ost-Berlin“, erinnert sich der SPD-Politiker und Chef der rot-rot-grünen Landesregierung. Die Bevölkerung ging zurück, dafür stieg die Arbeitslosigkeit auf 20 Prozent. Die Schulden der Stadt wuchsen zwischen 1991 und 2006 auf 60 Milliarden Euro. Dank eines rigorosen Konsolidierungskurses und der allgemeinen Wirtschaftslage, so Müller, sei es mittlerweile gelungen, die Last auf 57 Milliarden Euro zu reduzieren. Das verschaffe dem Stadtstaat Luft für Investitionen. Als Schwerpunkte nannte Müller zum einen die „Ertüchtigung der Stadtinfrastruktur“. „Die letzten Jahre sind wir jährlich um 40.000 Einwohner gewachsen. Das entspricht einer kleinen Stadt, für deren Einwohner wir Wohnung, Schulen und alles, was dazu gehört, bereitstellen müssen.“ So baue die Stadt zurzeit jährlich 16.000 Wohnungen.
Einen weiteren Investitionsschwerpunkt setzt die Regierung bei Wissenschaft und Forschung. Als Beispiele nannte Müller den Technologiepark Adlershof und die Ansiedlung zahlreicher Forschungsinstitute. „Dieses Umfeld schafft Interesse bei Investoren“. Nachdem Brandenburg den Zuschlag für das Tesla-Werk bekommen hat, hofft Berlin darauf, das europäische Design- und Entwicklungszentrum des US-Autoherstellers in die Hauptstadt zu holen. Als „harten“ Standortfaktor sieht der Regierende Bürgermeister auch das „Umfeld der Freiheit“, für das die Hauptstadt stehe: „Das offene und demokratische Zusammenleben und die Meinungsfreiheit sind nicht überall in Europa selbstverständlich. Nicht zuletzt wegen dieser Werte zieht es viele Menschen hierher“.
Im Anschluss an den Vortrag entwickelte sich eine angeregte Diskussion, in der Müller unter anderem auch den kürzlich, für die Dauer von fünf Jahren, beschlossenen Mietendeckel verteidigen musste. „Berlin muss bezahlbar bleiben“ lautet hier die Devise des Regierenden Bürgermeisters. Dies sei wichtig für Unternehmens-Ansiedlungen, damit Mitarbeiter von Firmen bezahlbare Wohnungen finden könnten. Auch andere Großstädte wie Frankfurt und München überlegten mittlerweile, regulierend auf den Mietmarkt einzuwirken. Weitere Fragen betrafen das Schulsystem („Wir haben 800 Schulen – von ‚furchtbar‘ bis ‚hervorragend‘ ist alles dabei“), den Flughafen BER („Zurzeit erfolgen die Abnahmen – wir hoffen auf Eröffnung im Herbst 2020“) und die Vertrauenskrise der Volksparteien („Alte Entscheidungsmechanismen funktionieren nicht mehr. Viele Bürger erwarten von den Politikern, dass sie bei Themen wie Klima oder Mieten schneller reagieren“). Rückblickend auf die vergangenen drei Jahrzehnte zieht Müller ein gemischtes Fazit: „Es ist nicht alles gelungen, aber es gibt nicht nur Grund zum Meckern“.
Text: Annette Meyer zu Bargholz /Fotos: Susanne Freitag