Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie zu Gast beim IHC (v. l. IHC Ehrenpräsident Dr. Reinhard Zinkann, Hildegard Müller, IHC Geschäftsführerin Cornelia Moss, Gastgeber des Abends Michael W. Böllhoff)
Die Autoindustrie in Deutschland befindet sich in einer Krise. Fast täglich gibt es neue Meldungen über Stellenabbau, Umstrukturierungen oder Werkschließungen bei Herstellern und Zulieferern. „An uns wir deutlich, was am Industriestandort Deutschland los ist“, erklärte Hildegard Müller. Die Präsidentin des Verbands der Autoindustrie, VDA, war Gast an einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung des Industrie- und Handelsclubs Ostwestfalen-Lippe, IHC. Moderiert wurde die Veranstaltung vom Gastgeber des Abends Michael W. Böllhoff, Geschäftsführender Gesellschafter der Böllhoff-Gruppe.
„Die Automobilindustrie steht an einem Wendepunkt“, führte die VDA-Präsidentin aus. Neue Technologien, nachhaltige Antriebe und digitale Innovationen eröffneten enorme Chancen. Gleichzeitig wachse mit regulatorischen Vorgaben, ambitionierten Klimazielen und globalem Wettbewerb der Druck auf die Branche.
Ein bedeutender Faktor bei der Transformation vom Verbrenner zur Elektromobilität sei die Veränderung der Wertschöpfungskette. So seien Elektromotoren mit insgesamt etwa 200 Bauteilen weit weniger komplex als ein Verbrennungsmotor mit etwa 1400 Teilen. Die Transformation der Branche könnte bis 2035 184´000 Stellen betreffen, so Müller. Viele Zulieferer müssten neue Geschäftsmodelle und Produkte entwickeln und orientieren sich nun teilweise in Branchen wie die Rüstungs- oder Pharmaindustrie.
Schwierig sei auch die Situation des Standortes Deutschland im internationalen Wettbewerb, klagte Müller. Die Strompreise seien bis zu drei Mal so hoch wie bei den relevanten Wettbewerbern, hinzu kämen enorme Lasten durch bürokratische Auflagen. Die Folge: Investitionen würden ins Ausland verlagert und Werke hierzulande geschlossen.
Diese Entwicklung sei aber kein Grund, nun wieder auf den Verbrenner-Motor zu setzen, erklärt die Verbandsvorsitzende. „Die Veränderung ist nicht aufhaltbar, sondern muss gestaltet werden“, sagte Müller „Ein Zurück zur ,alten Welt‘ gibt es nicht“. Die Unternehmen der Automobilindustrie seien sehr wohl international wettbewerbsfähig, aber der Standort sei es nicht mehr. „Wir sind hinter China weltweit der zweitgrößte Hersteller von Elektro-Fahrzeugen, allerdings wird es immer schwieriger, am Standort Deutschland auch wirtschaftlich zu produzieren.“
Von der Politik forderte sie darum vor allem wettbewerbsfähige Energiepreise, Entbürokratisierung und die Digitalisierung der Behörden, die auf diesem Gebiet Leistungen von den Unternehmen forderten, die sie selbst nicht erbrächten. Von den Unternehmerinnen und Unternehmern wünschte Müller sich, unternehmerische Risiken wieder vermehrt wahrzunehmen. Europa müsse sich auf seine wirtschaftliche Stärke besinnen. „Es gibt viel Innovationskraft in Deutschland und Europa“, so Müller, „lassen Sie uns diese für Wertschöpfung in Deutschland einsetzen.“
Nachdem dem Vortrag nahm sich Hildegard Müller noch die Zeit, Fragen aus dem Publikum zu beantworten. Nachdem die Referentin sich bereits wieder auf den Weg zur nächsten Veranstaltung gemacht hatte, klang der der Abend für die zahlreich erschienenen IHC-Mitglieder und Gäste bei einem Imbiss und angeregten Diskussionen aus.