Der Andrang im Vortragssaal der Firma Goldbeck war groß: Die verfügbaren Plätze für den Vortrag von NRW-Innenminister Herbert Reul waren schnell vergeben. Neben der Prominenz des Redners spielte dabei sicher auch das Thema eine Rolle, zu dem der CDU-Politiker auf Einladung des Industrie- und Handelsclubs OWL, IHC, sprach: Wirtschaftskriminalität.
Zwar liegt deren Anteil in Nordrhein-Westfalen nur bei 0,54 Prozent aller Delikte. Die Schadenshöhe ist allerdings enorm: Sie beträgt mit 530 Millionen Euro rund 38 Prozent am Gesamtschaden aller Straftaten. 86 Prozent aller Unternehmen sind bereits einmal davon betroffen gewesen.
Der Großteil der Delikte findet in Form von Cyberkriminalität statt. „Welcher Ganove ist heute noch so dumm und überfällt eine Bank“, brachte es Reul auf den Punkt. Die Angriffe kommen über das Internet, die Täter sitzen irgendwo in der Welt. Allein zwischen 2019 und 2022 habe es einen fast 50-prozentigen Anstieg im Bereich Computerbetrug gegeben. Die Corona-Zeit, so Reul, bei der immer mehr geschäftliche Aktivitäten ins Digitale verlegt wurden, habe als Anheizer gewirkt. Die Bandbreite der Straftaten reiche von Schadsoftware über Phishing (Zugang zu den Opfer-Daten) und DDoS Angriffe (Überlastung der Systeme) bis zu Ransomware (Digitale Erpressung durch Verschlüsselung der Systeme). Mittlerweile gebe es sogar einen „Enkeltrick“ für Unternehmen, bei dem Kriminelle unter Nutzung künstlicher Intelligenz die Stimmen der Vorgesetzten imitieren und so telefonisch Zahlungen auslösen.
Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine nehmen vor allem Cyberattacken zu, die sich auf russische Täter zurückführen lassen. „Wir haben eine komplizierte Gemengelage aus kriminellen und politisch motivierten Tätern“, berichtete der Minister. Auch das Thema Spionage stehe nach eher ruhigen Jahren wieder weit oben auf der Tagesordnung.
„Eine unsichere Lage für die Wirtschaft schadet dem Standort Deutschland“, bekräftigte Reul. Seitens der Landesregierung gehe man die Problematik darum aktiv an. Zum einen durch Ausbildung und Aufstockung der Polizei in diesem Bereich: „Die Polizei muss zwingend mit den stetig neuen Herausforderungen und Bedrohungsfeldern im Netz Schritt halten“, so Reul. Deshalb habe das Land selbst begonnen, Cyberkriminalisten auszubilden, so der Innenminister. An den Hochschulen Niederrhein und Bonn-Rhein-Sieg soll es für den neuen Studiengang Cyberkriminalität ab dem Wintersemester 2023 bis zu 50 Plätze geben.
Ein weiteres wichtiges Element im Kampf gegen die Bedrohung aus dem Netz seien Aufklärung und Beratung. „Hier müssen wir besonders die Mittelständler und kleine Handwerksbetriebe unterstützen“, erklärte Reul. Denn anders als bei großen Firmen fehlten diesen die eigenen IT-Spezialisten. Doch auch hier gelte der Selbstschutz als wirksamste Abwehrmaßnahme. „Machen Sie das Thema unbedingt zur Chefsache und sichern Sie Ihre Systeme ab, schulen Sie ihre Mitarbeiter und erstellen Sie Notfallpläne“, lautete darum der dringliche Appell des Ministers an die anwesenden Unternehmerinnen und Unternehmer.
Nach der von IHC-Präsident Eduard R. Dörrenberg moderierten Veranstaltung lud Gastgeber Goldbeck noch zu Umtrunk und Imbiss ein. Gesprächsthemen gab es durch den vorangegangen Minister-Vortrag reichlich.
Notfall-Kontaktstelle für betroffene Unternehmen: Landeskriminalamt NRW, Tel. 0211 939-4040, Mail: cybercrime.lka@polizei.nrw.de